"Wofür steht ihr?“ frage ich Schüler im Alter zwischen 13 und 16 Jahren. Große Augen, langes Schweigen. „Na kommt, für irgendetwas müsst ihr doch stehen“, dränge ich. Da antwortet endlich einer: „Ich bin voll für gegen Gewalt“, meint er. Das Mädchen neben ihm ergänzt: „Und wir sind natürlich für gegen rechts.“ Der Damm ist gebrochen. Viele rufen durcheinander. Es stellt sich heraus, dass alle „für gegen“ irgendetwas sind: Handyverbot in der Schule, Klimawandel und natürlich die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft.
Interessant ist die sprachliche Umkehr. Das neue „dafür“ ist ein „dagegen“. Eine negativ Formulierung. Es geht nur um den Erhalt des Status quo, keinesfalls um Veränderung oder gar einen Aufbruch. Das „für“ ist ein aktiver Schritt. Ein „dagegen“ nur ein lassen. Mit anderen Worten: Um für etwas zu sein, braucht es Ideen, während das dagegen sein die Einstellung anderer negiert. Die Gesellschaft tendiert also gegenwärtig zum Aufhalten und nicht zum Machen.
Nur ein für wiedersetzt sich dem dagegen
Dabei ist ein „für“ viel spannender. Neues entdecken, wagen und ausprobieren bringt Menschen, Gruppe und ganze Gesellschaften voran. Außerdem zeigt es eine grundsätzliche Lebenseinstellung. Wer sich für etwas einsetzt beginnt gerne jeden neuen Tag, ist meist positiv gestimmt und voller Elan. Er ärgert sich nicht darüber, dass ihm vielleicht etwas weggenommen wird, sondern freut sich über das Neue, das er erreicht. Was nicht funktioniert, verwirft er und setzt seinen Weg auf einem anderen Pfad fort. Er kämpft für seine Ideen und nicht gegen das Denken von anderen. Ein himmelweiter Unterschied.
Das gilt gleichermaßen im Privatleben, wie in Politik und Wirtschaft: Ein dagegen führt zu Stagnation, was ein noch größeres dagegen bedingt. Äußere Feinde werden erschaffen, um ein dagegen zu stärken und die eigenen Unzulänglichkeiten auf sie abzuwälzen. Ein Teufelskreis, der nur auf eine einzige Art und Weise durchbrochen werden kann – mit einem kräftigen „für“.
Fünf Tipps, wie ein Wechsel aus der „dagegen Haltung“ in eine „für Kultur“ gelingen kann:
1. Die eigene Einstellung erkennen und reflektieren: Es ist wichtig, selbst den ersten Schritt aus eigenem Wollen zu gehen. Als gutes Mittel eignet sich dabei die Beobachtung der Wortwahl. Wie oft kommt ein „dagegen“ darin vor? Außerdem verrät der Lebenswandel viel über die Einstellung eines Menschen. Baut er auf oder verwaltet er sein Leben? Ist er vielleicht aus Neid auf den Erfolg anderer gegen etwas? Oder, weil er einfach seine Ruhe haben möchte?
2. Das dagegen sein durch eine Alternative ablösen: Daran mangelt es meist. Wenn es jedoch gelingt, ist dieses Vorgehen oft erfolgreich. Wie das alkoholfreie Bier – eine Alternative für Autofahrer, die nicht auf den Biergeschmack verzichten möchten. Der Anlass dieser Innovation war die Aktion gegen Alkohol am Steuer. Gibt es im eigenen Leben Alternativen für ein bloßes dagegen sein?
3. Sprache und damit Denken verändern: Das negative Wort „dagegen“ möglichst häufig im eigenen Sprachgebrauch ersetzen. Als positive Wendungen eignen sich „für“, „alternativ“, „aufbauend“, „innovativ“, „ergänzen“ und einige mehr. Durch die Sprachwahl entstehen neue Denkmuster, die sich vorteilhaft auf die eigene Stimmung und das Handeln auswirken.
4. Aufbau statt Ablehnung: Es ist einfach, dagegen zu sein, aber viel schwerer, etwas aufzubauen. Doch nur der Aufbau hilft, das zu verändern, wogegen man sich wendet. Ein Beispiel ist China. Mit seinem Projekt der „Neuen Seidenstraße“ baut das Land auf. Wenn auch umstritten, ist es eine wirkmächtige Idee, durch die China die bisherige Vormachtstellung der westliche Welt zurückdrängt.
5. Menschen, die gegen etwas sind, für eine Idee gewinnen: Das ist der möglicherweise schwerste Schritt. Aber er ist notwendig, um die Stimmung einer Gruppe aufzuhellen und damit auch ihr Verhalten. Eine Menge Menschen wollen sich aufregen und ärgern. Sie schimpfen gerne über alles. Sie zu motivieren und zu begeistern für eine Sache einzustehen, kann ungeheure Energie freisetzen und vieles positiv verändern.
Auf zu neuen Ufern
Diese fünf Tipps können helfen, aus der negativen Haltung des dagegen seins auszubrechen und zu einem Macher zu werden, der für Ideen kämpft, anstatt nur die Einstellung anderer abzulehnen. Wer strikt gegen etwas ist, will hauptsächlich bewahren und erkennt nicht, dass die Zeit längst abgelaufen ist. Ein dafür sein ist meist der Aufbruch zu neuen Ufern. Dort warten meist interessante Ideen, spannende Erkenntnisse, kluge Menschen und aufregende Möglichkeiten. Die Gefahren sind nicht zu unterschätzen – die Chancen überwiegen jedoch meist.
Teilt eure Erfahrungen mit dem dagegen und dafür sein gerne in den Kommentaren.