Dienstag, 27. Juni 2023

Menschen lassen ihr Menschsein von Maschinen testen

Wir müssen unser Menschsein mit kleinen Tests im Internet nachweisen, um uns von den Bots im Netz abzugrenzen
Seit einiger Zeit ist es nicht mehr selbstverständich ein Mensch zu sein. Jedenfalls im Internet. Denn es sind Bots unterwegs, die sich wie Menschen verhalten, um alle möglichen Aktionen durchzuführen. Deshalb müssen sich Menschen als solche ausweisen und diesbezüglichen Tests unterziehen. Manchmal genügt es einen Haken zu setzen, mit dem wir bestätigen kein Bot zu sein. Öfter weden wir genötigt, Ampeln, Flugzeuge, Fahrräder oder Schiffe auf einer Auswahl von Bildern zu erkennen und zu zählen. Ist das nicht entwürdigend?

Doch ist noch kein Protest laut geworden. Niemand scheint sich darüber zu wundern oder zu beschweren. Der Menschentest ist schleichend gekommen und kritiklos haben wir uns an ihn gewöhnt. 

Wer testet wen?

Captchas heißen die Tools, die unsere Menschlichkeit überprüfen. Hinter der Abkürzung verbirgt sich die vielsagende Bezeichnung: "Completely automated public Turing Test to tell Computers and Humans apart." Dabei wurde der Test von Alan Turing in den 1950er Jahren entwickelt, um die Leistungsfähigkeit von Computern mit menschlicher Intelligenz zu vergleichen. Er selbst nannte seine Entwicklung ursprünglich Imitation Game. Ein Mensch stellt Fragen und muss dann entscheiden, ob die Antworten von einem Mitmenschen oder einer Maschine stammen. Die Idee dahinter: Wenn Mensch und Maschine nicht mehr zu unterscheiden sind, haben wir es mit künstlicher Intelligenz zu tun.

Die Wirklichkeit hat - wie so oft - die Theorie überholt. Nur dass die Maschinen den Spieß irgendwie umgedreht haben. Die Menschen müssen einen Nachweis ihrer Menschlichkeit erbringen. Spricht das allein nicht schon für die Überlegenheit von künstslicher Intelligenz?

Oder spricht vielmehr gegen die Intelligenz der Menschen die Tatsache, wie bereitwillig sie sich diesen fortwährenden kleinen Tests im Internet unterziehen?

Wir beginnen Arbeitsplätze mit Maschinen zu teilen

Schleichend geben die Menschen auf, was sie bisher immer für selbstverständlich hielten - ihr Alleinstellungsmerkmal als intelligente Lebensform auf der Erde. Wir beginnen schon zu teilen und den wenigsten fällt es auf. 

Aktuell verlieren wir Arbeitsplätze an künstliche Intelligenzen. Unternehmen kommunizieren das ganz offen. Noch immer regt sich kaum Protest. Arbeitnehmer hoffen darauf, dass durch den vermehrten Einsatz von KI neue Arten von Jobs geschaffen werden. Zum Beispiel Menschenerklärer, die mittels Algorithmen Maschinen das Denken und Verhalten von Menschen nahebringen.

Anfänge eines tiefgreifenden Wandels

Wir haben keine Worte für das, was gerade geschieht. Deshalb nennen wir es technische Revolution. In Wahrheit ist es Evolution. Ein langsamer Prozess der Entwicklung und Verdrängung. Natürlich glauben wir daran, alles im Griff zu haben. Aber dieser naive Glaube wurde schon oft in der Geschichte der Menschheit erschüttert. 

Was wir gerade erleben sind die Anfänge eines tiefgreifenden Wandels. Unser Wertesystem wird sich verändern, unser Selbstbild und unser Glaube, wenn die Menschheit zum Schöpfer mutiert. Gleichgültig, wie intelligent KI letztendlich wird, wie eigenständig und empathisch: Ab sofort sind wir nicht mehr allein, gibt es eine Art neben uns, die es mit der Menschheit aufnehmen kann.

Das ist natürlich kein Grund für Panik, sondern für Neugier. Was folgt aus diesen Feststellungen? Inwieweit müssen die Menschen ihre Philosophie überdenken? Zum Beispiel in der Ethik. Wie eigenverantwortlich ist künstliche Intelligenz? Ab wann hört sie auf, einfach nur als Maschine zu gelten? Aber auch: Was bedeutet es in Zukunft, ein Mensch zu sein?

Künstliche Intelligenz greift in unser Leben ein

Es wird komplizierter mit unserer Schöpfung neben uns. Zu allererst müssen wir uns eingestehen, uns schon jetzt ihren Möglichkeiten unterzuordnen. Nicht die künstliche Intelligenz muss ihr Maschinensein nachweisen, sondern wir unser Menschsein. Das ist keine Bagatelle und weist die Richtung, in die es derzeit geht. Künstliche Intelligenz greift in unser aller Leben ein.

Im Moment stecken noch Menschen dahinter, die Anweisungen geben. Zumindest glauben wir das. Doch was ist die Ursache für manche Anweisungen? Die Existenz künstlicher Intelligenz. Also sind wir gezwungen uns abzugrenzen. Deshalb kommen die Anweisungen zwar von Menschen, werden aber von künstlichen Intelligenzen veranlasst. Wie gesagt, wir glauben, alles im Griff zu haben....

Kein Grund zur Panik - oder doch?

Trotzdem kein Grund zur Panik. Wir sollten nur bewusste Entscheidungen treffen. Wollen wir uns von der Entwicklung überrollen lassen oder nehmen wir uns die Zeit, gut zu überlegen? 

Ach ja, es ist die Menschheit, um die es hier geht. Wann hat sie schon jemals eine Entwicklung gut überlegt? Gewiss nicht den Bau der Atombombe und auch nicht den Einsatz chemischer Mittel in der Landwirtschaft, ganz zu schweigen von Genmanipulation, Sklavenwirtschaft, Verdrängung der indigenen Bevölkerung in Amerika, Abholzung der Wälder, Kolonialismus und vieles mehr. 

"Frieden bedeutet, dass man einen größeren Stock hat als der andere", sagt Tony Stark in einem Iron Man-Film. Solange dieses Denken die Realität der Menschen widerspiegelt, wird künstliche Intelligenz zu einer Waffe werden, die sich irgendwann gegen uns wendet.

Jetzt ist Panik angebracht!

Sonntag, 25. Juni 2023

Wir haben eine Wahl

Beim Brötchenkauf beginnt die Wahlfreiheit schon mit der Tüte
Sonntagmorgen, 8:37 Uhr, irgendwo in Deutschland. Eine Schlange von elf Menschen vor der örtlichen Bäckerei. Die Verkäuferinnen arbeiten zu zweit die Wünsche der Kundschaft ab. Es geht zügig voran. Tüte für Tüte werden Brötchen und Brot über den Tresen gereicht. In den bekannten braunen Bäckertüten. Der zwölfte Kunde lässt sich von der Bedienung seinen Jutebeutel füllen. "Darauf geben wir zehn Prozent", sagt die Verkäuferin. "Aber Sie sind der Erste heute." Bei zehn Brötchen gibt es eines kostenlos, wenn man nur einen eigenen Beutel verwendet. Weshalb nimmt kaum jemand dieses Angbebot an?

Vor der Tür halten zwei Männer einen kurzen Sonntagsplausch. Beide haben eine große, gut gefüllte Bäckertüte im Arm. Sie tragen kurze Hosen und Sonnenbrillen, wirken entspannt. "Seit sechs Wochen kein Regen", sagt der eine. "Die Hitze wird langsam unerträglich." Darauf der andere: "Und was unternimmt die Regierung gegen den Klimawandel?" Der erste: "Nichts. Das ist doch alles nur Gerede." Sie winken sich zufrieden mit ihren Bäckertüten zu und gehen auseinander.

Kleinigkeiten wie Brötchentüten fallen kaum auf

Eine Alltagsgeschichte, wie sie sich vermutlich tausendfach in Deutschland ereignet. Die Menschen bemerken nicht die Ironie. Sie unterscheiden zwischen verschiedenen Welten: Ihre Privatwelt, in der es um persönliches Wohlbefinden geht und die Umwelt, die den Rahmen für das eigene Glück setzt. Dabei wird alles, was schief läuft, der Umwelt zugeschrieben. Konkret: Den Klimawandel muss die Politik stoppen. Dafür gibt es schließllich Wahlen, mit denen die Privatwelten der Umwelt den Auftrag geben, alles zu regeln. Für die nächsten vier Jahre erledigt. 

Kleinigkeiten wie Brötchentüten fallen den wenigsten Menschen auf. Auch wenn es einen Anreiz gibt und obwohl viele sich über steigende Preise aufregen. Zwischen Reden und Handeln klafft eine riesengroße Lücke. Selbst an den Kassen der Supermärkte werden immer noch Tüten verlangt, auch wenn inzwischen für sie bezahlt werden muss. Den Menschen ist das gleichgültig.

Keine Wahl?

Laut Statista stieg der Verbraucherpreisindex für vorgebackene Brötchen in Deutschland im Jahr 2021 um etwa 6,12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele beklagen sich darüber. Es ist ein Thema bei Gesprächen. Wie kann die Umwelt das nur zulassen? Gekauft wird trotzdem. "Wir haben doch keine Wahl", sagen die Menschen.

Doch wie das Beispiel mit den Brötchentüten zeigt, muss es heißen: Sie nutzen ihre Wahlmöglichkeiten nicht. Warum? Vielfach aus Gewohnheit. Es war schon immer so, es muss so bleiben. Dann natürlich aus Gedankenlosigkeit. Was kann ich beim Bäcker schon groß ändern? Dabei könnte eine Vielzahl kleiner Achtsamkeiten viel bewirken. In diesem Fall hätte die Masse einen positiven Einfluss auf die Umwelt. 

Masse hat einen ungeheuren Einfluss

Es sind Gewohnheit und Gedankenlosigkeit, zu der auch mangelnde Neugier zählt, die einen erheblichen Anteil an den Schwierigkeiten im gesellschaftlichen Zusammenleben bis hin zum Klimawandel verursachen. Jeder lebt sein Leben. Grundsätzlich aneinander vorbei. Andere spielen nur eine Rolle, insoweit sie in das eigene Leben integriert werden. Familie oder Freunde. Aber keiner will auf seine Brötchentüte für die Umwelt verzichten. Viel zu abstrakt. Was ist das schon - diese Umwelt?

Die Frage lässt sich einfach beantworten: Die Umwelt, das sind wir in unserer Gesamtheit als Masse Mensch. Aus einer Brötchentüte wird also schnell an ganzer Berg Abfall. Zum Beispiel lassen sich die Einweg Kaffeebecher, die unsere Gesellschaft in einem Jahr verbraucht, bis zum Mond stapeln. Pro Stunde sind es etwa 320.000 Einwegbecher. Masse hat einen ungeheuren Einfluss - auch wenn sie nur aus vielen einzelnen Menschen besteht, die alle das Gefühl eint, keine Wahl zu haben.

Wir sind Teil der Entwicklung und können Einfluss nehmen

Woher kommt dieses Gefühl, das in dem oft gehörten Argument gipfelt: Selbst wenn wir die Umwelt entlasten, verseuchen die Chinesen und Amerikaner doch die Natur weiter. Vielleicht daher, weil wir dem menschlichen Erfindergeist und der umsetzenden Wirtschaft immer einen Schritt hinterher zu hinken meinen. Beispiele Internet, Onlinehandel und ganz neu künstliche Intelligenz. Das alles wird der Gesellschaft übergestülpt - meinen wir. Doch schauen wir genau hin, stellen wir fest: Jeder von uns ist Teil dieser Entwicklung. Entsprechend können wir Einfluss nehmen. 

Eigentlich. In Wirklichkeit nutzen wir die Angebote freudig und gedankenverloren, sobald sie ihre Massentauglichkeit erreichen. Wir sehen, wie der Onlinehandel den stationären Einzelhandel verdrängt und die Innenstädte allmählich veröden. Aber anstatt in der Nachbarschaft einzukaufen und dabei neue Leute kennenzulernen, bestellen wir im Wohnzimmer Waren aus aller Welt. 

Wir haben sehr wohl eine Wahl. Sie beginnt beim Brötchenkauf. Also: Eigenen Beutel einstecken und in der Schlange andere darauf aufmerksam machen, dass es nicht jedesmal eine neue Papiertüte sein muss. Und wenn wir schon dabei sind, können wir unser nächstes Buch auch beim örtlichen Händler bestellen. Das macht viel mehr Spaß, als mit ein paar Klicks eine anonyme Logistikkette in Gang zu setzen. Versprochen.

Samstag, 24. Juni 2023

Verzettelt

Diogenes wollte nur Sonne und verzichtete auf materielle Gunst
Kennen sie das auch: Jeder Menge Aufgaben liegen vor ihnen und sie haben keinen Plan, wie sie alle erledigen sollen? Die Gegenfrage lautet: Wer kennt das nicht? Angefangen bei Schülern über Studenten und Arbeitnehmern bis zu Rentern. Irgendwie hat jeder das Gefühl, von Jahr zu Jahr mehr erledigen zu müssen. Aber stimmt das?

Verzetteln heißt, sich zu verlieren

Es scheint zumindest kein Thema für eine philosophische Betrachtung zu sein. Doch nur auf den ersten Blick. Dann wird schnell klar: Wie jemand mit der Vielfalt an Aufgaben umgeht, die er zu bewältigen hat, hängt von der inneren Haltung ab, die wiederum die Persönlichkeit widerspiegelt und das eigene Weltbild. Wer in seinen Aufgaben versinkt, empfindet vielleicht das Leben wie ein Labyrinth. Verzetteln heißt, sich verlieren und wiederfinden zu müssen. Eine Aufgabenliste zu führen und sie akribisch abzuarbeiten, bedeutet Struktur zu haben - oder sich zumindest darum zu bemühen. 

Diogenes wollte nur Sonne und Ruhe

Extreme gibt es natürlich wie überall. Den Pedanten, der seine Aufgaben farbig nach dringlichkeit ordnet, mehrfach umsortiert und jedesmal Notizen anfertigt, so dass er dafür mehr Zeit benötigt, als für die Erledigung der Aufgaben. Oder den Verschieber, der immer wieder neue Fälligkeitstermine setzt, um Aufgaben nicht sofort erledigen zu müssen. Und natürlich den Chaoten, der seine Aufgaben vergisst, verlegt, verschlampt, um sich darüber zu freuen, keine Aufgaben zu haben.

Angeblich verlangte Diogenes von Alexander dem Großen, aus der Sonne zu gehen, als der ihm eine Gunst erweisen wollte. Der Philsosoph brauchte kein Hab und Gut. Er wählte die Einfachheit. Ähnlich lässt sich möglicherweise das Dilemma mit der Aufgabenvielfalt lösen. Wieviele Aufgaben sind wirklich notwendig? Bestimmt nicht die, denen wiederholt ein neues Fälligkeitsdatum zugewiesen wird. 

Manche Aufgaben erledigen sich von allein

Es ist an der Zeit, Aufgaben neu zu sortieren. Wie wäre es damit: Aufgaben, die Freude bereiten. Aufgaben, die unbedingt sein müssen. Aufgaben, denen ich besser aus dem Weg gehe. Aufgaben, die sich von allein erledigen.

Einen Versuch ist es allemal wert. Und ja, es gibt Aufgaben, die sich von allein erledigen. Zum Beispiel kann jemand stundenlang nach einem Gegenstand suchen. Er kann aber auch einfach abwarten. Meist findet sich das Ding durch Zufall von selbst wieder an. Sogar mit Schlüsseln hat das schon funktioniert.

Fehler müssen nicht sein

Nehmen wir uns also ein Beispiel an der Haltung von Diogenes und erledigen in Zukunft, was wir in Ruhe erledigen können. Alles andere hat meist Zeit bis zum nächsten Tag. Dafür gibt es noch ein starkes Argument: Je verkrampfter wir an eine Sache herangehen, dessto schwerer fällt uns die Aufgabe. Dadurch dauert sie länger, wir werden ungeduldig und es passieren Fehler. Das muss nicht sein! 

Zurück zur Eingangsfrage, ob wir von Jahr zu Jahr mehr Aufgaben abarbeiten müssen. Das ist ein rein subjektives Gefühl, dem wir entgegentreten können, indem wir in Zukunft mehr Freude an der Erledigung unserer Aufgaben haben. Denn wenn wir es kaum erwarten können, endlich an die nächste Aufgabe zu gehen, werden wir Vielfalt nicht als unangenehm, sondern als Bereicherung empfinden.

Freitag, 23. Juni 2023

Philosophischer Austausch über Grenzen hinweg

Künstliche Intelligenz kann beängstigend sein, bietet aber auch Chancen
Abenteuer Philosophie live geht in die zweite Runde. Am 11. Juli 2023 treffen wir uns ab 19:00 Uhr zum Thema "Künstliche Intelligenz - wie verändert sie unsere Gesellschaft?" Jeder ist herzlich eingeladen. Hier gibt es weitere Informationen zu der Veranstaltung.

Die Vision hinter den Treffen: In naher Zukunft werden philosophische Gespräche in diesem Format überall auf der Welt stattfinden. Die verschiedenen Gruppen vernetzen sich und tauschen sich aus. Alle lernen von allen - multikulturell und vor allem über nationale Grenzen hinweg. Ein echter philosophischer Austausch. Denn was Philosophie wirklich ausmacht ist unstillbare Neugier - auf neue Themen und das Denken anderer Menschen. 

Keine einzige Minute langweilig

Genau diese Neugier war schon beim ersten Treffen vor ein paar Wochen zu spüren. Menschen kamen zusammen, um miteinander zu reden. Mehr als drei Stunden - und es war keine einzige Minute langweilig. 

Dieses Mal wird es wieder eine Premiere geben. Zum ersten Mal diskutiert eine KI mit und wird sich mit unserem Thema aktiv auseinandersetzen. Dabei geht es um die ethischen, sozialen, kulturellen Herausforderungen und Chancen von künstlicher Intelligenz. Erwartet wird ein spannender Dialog zwischen verschiedenen Intelligenzformen, die sich gerade erst kennenlernen.

Jeder kann mitmachen

Wer seine eigene Veranstaltungsreihe unter dem Titel "Abenteuer Philosophie live" ins Leben rufen möchte, kann damit jederzeit starten. Einzige Bedingung: Bitte hier auf dem Blog darüber berichten. 

Das gilt natürlich auch für Themen: Alle sind eingeladen, diesen Blog für eigene Beiträge zu nutzen. Einfach zur Veröffentlichung an mich mailen. Ich bin gespannt auf vielfältige Inhalte.

Dienstag, 20. Juni 2023

Das Gras wachsen hören

Auf Augenhöhe mit seiner Umgebung zu sein, verschafft unmittelbar neue Eindrücke
Manche Menschen hören das Gras wachsen. Natürlich nicht wortwörtlich. Vielmehr sind sie so sensibel, dass sie schon durch kleinste Anzeichen zu erkennen glauben, wie sich eine Situation entwickeln wird. Sie haben also einen scharfen Spürsinn. Das macht sie allerdings auch anfällig für grüblerische Gedanken über echte oder eingebildete Probleme. Daher sind solche Menschen oft überängstlilch oder sogar panisch.
Doch darum geht es nicht. Vielmehr ist die Frage: Was wäre, wenn wir tatsächlich das Gras wachsen hören könnten? Was hätte es uns zu sagen?
Wahrscheinlich würde es flüstern. Weil wir es kurz halten, kann es überhaupt nicht laut sein. Das Gras würde uns bitten, wachsen zu dürfen. "Einmal richtig hoch stehen und blühen", träumen die kurzen grünen Halme. "Und Schluss mit den Mährobotern", fügen sie ärgerlich hinzu. "Tag und Nacht fahren sie über uns weg und hinterlassen nichts als Grasschnippsel."

Der Tratsch interessiert uns nun doch

Wir stellen schnell fest, Gras hat es heutzutage nicht leicht. Obwohl es gehegt und gepflegt wird. "Wir sollen nur ein grüner Teppich sein", klagen die Grashalme. "Dann werden wir auch noch vielerorts durch Kunstrasen ersetzt und deshalb immer weniger." 
Klagen, nichts als Klagen, denken die Menschen und versuchen das Gras zu überhören. Aber das besinnt sich und beginnt über unsere Nachbarn zu flüstern. Wir stellen fest: Der Rasen ist bestens informiert und hören jetzt genauer hin. Der Tratsch interessiert uns nun doch. Was es alles zu erfahren gibt! Die Zeitungen und Magazine lagen so falsch. Unglaublich! Wenn auch noch das Korn auf den Feldern zu plaudern beginnt....
Viele Menschen lassen den Rasen jetzt wachsen, damit er höher steht und mehr mitbekommt. Er hat die volle Aufmerksamkeit und stöhnt über die Trockenheit. Daraufhin wird er gewässert. Er breitet sich aus und verbindet sich vielerorts. Seine Berichte werden präziser. Die Menschen schaffen ein Netzwerk des Grases. Nur wenige koppeln sich ab, indem sie auf ihren Rasenflächen Kartoffeln pflanzen. Sie gelten als Außenseiter. 

Wir würden uns wundern

Je mehr sich das Gras ausbreitet, desto festere Zäune bauen die Menschen allerdings. Sie wollen zwar jedes Detail über ihre Nachbarn wissen, beginnen sich aber gleichzeitig vor ihnen zu fürchten. Was der Rasen so über die berichtet! Man hegt und pflegt das Gras, aber man misstraut seinen Mitmenschen. Kein Wunder, die nutzen noch immer einen Mähroboter. Das Gras weiß alles! 
Nur gut, dass nicht so viele Menschen das Gras wachsen hören. Oder mit Bäumen sprechen. Wir würden uns wundern. Inzwischen ist bekannt, dass die Pflanzen im Wald tatsächlich sehr gut vernetzt sind und sich zum Beispiel vor Borkenkäfern warnen und kleinere Bäume mit Wasser versorgen. Pilze spielen eine wichtige Rolle bei dieser Kommunikation. 

Aus der skadinavischen Sagenwelt

Jedenfalls gibt es mehr Beziehungen in dieser Welt, als Menschen gemeinhin wahrnehmen. Wer weiß, inwieweit sie uns tagtäglich beeinflussen. Vielleicht hören wir eines Tages wirklich das Gras wachsen und finden es heraus. 
Übrigens leitet sich die Redensart "das Gras wachsen hören" von der skandinavischen Götter- und Heldensage "Edda" aus dem 13. Jahrhundert ab. Darin wird über Heimdall berichtet, den Wächter der Götter, der so gute Ohren gehabt haben soll, dass er "das Gras auf der Erde und die Wolle auf den Schafen" wachsen hören konnte.

Samstag, 17. Juni 2023

Afrika und die Entstehung der modernen Welt

Das Cover des vorgestellten Buches über die Entstehung der modernen Welt mit Blick auf Afrika
Die meisten Menschen in der westlichen Welt nehmen kaum zur Kenntnis, dass sie den Wohlstand ihrer Länder vor allem Afrika zu verdanken haben. Besonders die jahrhunderte lange Ausbeutung der Arbeitskraft afrikanischer Menschen hat zu Reichtum und Entwicklung Europas, später auch der sogenannten Neuen Welt, also hauptsächlich Nordamerikas, beigetragen. 

So steigerten Zuckerrohrplantagen, die auf Sklavenwirtschaft basierten, die durchschnittliche Kalorienzufuhr der Bürger Europas nachhaltig. Daraus folgte unmittebar weniger Hunger, größere Zufriedenheit und höhere Leistungsfähigkeit. Zusammen mit dem Kapital, das sich durch die billigen Arbeitskräfte anhäufte, trug dies entscheidend zur industriellen Revolution bei, die Europa entgültig an die Spitze der weltweit führenden Regionen katapultierte. 

Europa stieg auf, weil es Afrika ausbeutete

Natürlich passt es nicht ins schöne Selbstbild, dass der europäische Erfolg zum großen Teil auf Völkermord beruht. Millionen Afrikaner wurden verschleppt und mussten sich auf den Plantagen der Europäer zu Tode arbeiten. Ihre Lebenserwartung betrug fünf bis sieben Jahre. Wohlgemerkt derjenigen, die Gefangenschaft, Verschleppung und Überfahrt überlebten. Aufstände wurden brutal zerschlagen. Die Afrikaner galten als Besitz und nicht als Menschen. Selbst der berühmte erste Satz in der amerikansichen Unabhängigkeitserklärung: "Wir halten diese Wahrheit für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit." galt nicht für afrikanische Menschen, die als Skalven schufteten und eben nicht gleich und frei waren.

In seinem Buch Afrika und die Entstehung der modernen Welt (Klett-Cotta 2023, 508 Seiten, € 35,00) schildert der amerikanische Journalist Howard W. French eindrucksvoll die Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung Afrikas und dem Aufstieg Europas. Dabei lässt er nicht die kulturellen und wirtschaftichen Mechanismen innerhalb Afrikas außer Acht, die den Sklavenhandel begünstigt haben. Vor allem aber berichtet er über das Wettrennen verschiedener europäischer Nationen von Portugal über Spanien bis England um Gold, Land und Menschen in Afrika. 

Selbst modernes Management wurde auf Plantagen entwickelt

Die New York Times bezeichnet das Buch als "eine ebenso schmerzhafte wie notwendige Lektüre, die demütig werden lässt". Zurecht. Von Kapitel zu Kapitel wird deutlicher, wie sehr sich Europa auf Kosten Afrikas bereichert hat - und wie groß der Anteil dieses lange verschmähten Kontinents an der Entstehung von Wirtschaftssytemen und politischem Denken unserer modernen Welt ist. So sind erste Vorstellungen von wirtschaftichem Management nicht erst, wie lange behauptet, im Zuge der industriellen Revolution entstanden, sondern bereits durch die Plantagenwirtschaft, um zu kalkulieren, wie Sklaven möglichst effektiv eingesetzt werden können.

Die Leistung von Howard W. French besteht darin, die schon im 15. Jahrhundert beginnende und sich allzu tragisch entwickelnde Beziehung zwischen Afrika und Europa, ohne die unsere Moderne nicht vorstellbar wäre, unverblümt und kenntnisreich darzustellen. Dabei steht der sachliche Bericht im Vordergrund und nicht irgendeine Schuldzuweisung. 

Afrika sollte endlich im europäischen Bewusstsein ankommen

An der Entwicklung und ihrem Resultat lässt sich heute nichts mehr ändern. Was jeder einzelne Mensch aber verändern kann, ist seine Sicht auf die Vergangenheit. Wenn wir den Blick auf Afrika richten, sollten wir daran denken, was wir diesem Kontinent zu verdanken haben und was Europa ihm seit Jahrhunderten zumutet. 

Ein guter Anfang ist die Lektüre des Buches von Howard W. French, damit die Geschichte Afrikas mit all ihren Verflechtungen zu Europa endlich in das Bewusstsein der Menschen rückt.

Sonntag, 11. Juni 2023

Gelebte Serendipity

Die eigene Welt fest gestalterisch im Blick, ergänzt durch Serendipity
Philosophieren live - beim allerersten Treffen flogen die Gedanken schon auf eine sehr weite gedankliche Reise. Das Thema "Serendipity" bot dazu den interessanten Ausgangspunkt. Was letztendlich ein glücklicher Zufall war - also das perfekte Beispiel für Serendipity. 

Die Frage, die sich sehr schnell stellte, lautete: Ist künstliche Intelligenz (KI) in der Lage, einen Fall von Serendipity zu erkennen? Eine Antwort gab es darauf noch nicht, aber die Idee, beim nächsten Treffen die Probe aufs Exempel zu machen und KI in das philosophische Gespräch einzubeziehen. Die Skeptiker überwiegen, aber alle Teilnehmer zeigten sich offen für den Versuch.

Das Herausragende des Abends war die allgemeine Offenheit für die Gedankenwelt anderer und damit die Erweiterung des eigenen Horizonts. Am Ende waren sich alle einig: Es wird weitergehen. Das nächste Treffen findet schon in einem Monat statt. Auf die Gespräche darf man schon jetzt gespannt sein.

Jeder kann sich beteiligen

Alle Leserinnen und Leser dieses Blogs sind aufgerufen, philosophische Gespräche in ihrer Nähe zu führen. Einzige Bitte: Bereichtet darüber hier auf "Abenteuer Philosophie", damit die philosophischen Gespräche zu einer großen Community wachsen können. Je mehr sich daran beteiligen, desto größer wird die Themenvielfalt. 

Ich freue mich auf viele spannende Beiträge!

Freitag, 9. Juni 2023

Wandel aktiv mitgestalten

der Einfluss von KI kann zu einem uniformen, gleichförmigen Leben der Menschen führen
Wandel ist ein seltsames Phänomen. In den meisten Fällen geschieht er still und leise. Er kommt sozusagen auf Samtpfoten daher. Wer hat schon den Aufstieg von Covenience-Food bewusst wahrgenommen? Doch auf einmal gibt es fertig zubereitete und in sehr viel Plastik verpackte Nahrung in Hülle und Fülle: Von Salaten über Sandwiches bis zu ganzes Menüs. Völlig irre, könnte man meinen, aber das Angebot wird fleißig angenommen - inklusive Holzlöffel oder Plastikbesteck.

KI wird den Alltag der Menschen steuern

So war es auch beim Internet. Am Anfang ein abstraktes und kompliziertes Gebilde für Nerds, dann Spielwiese für experimentierfreudige Hobbyuser und schließlich ein Massenphänomen, um das niemand herumkommt. Der Gewöhnungsprozess dauerte vielleicht zwei Jahrzehnte und als das Web schließlich alles Haushalte erreichte, war es schon selbstverständlich.

Mit dem derzeit gehypten Thema "Künstliche Intelligenz" (KI), wird es den Menschen nicht anders ergehen. Gerade wurde die Experimentierphase erreicht. Viele stürzen sich auf neue Anwendungen und probieren aus, wie sie KI nutzen können. In der Masse ist sie aber bisher nicht angekommen. Das wird erst passieren, wenn die Anwendung einfacher wird und in den Alltag zu integrieren ist. Wie "Alexa" bereits in vielen Haushalten Einzug gehalten hat, wird irgendwann KI den Alltag der Menschen steuern und sie werden es für selbstverständlich halten.

Kleine Start-uos gestalteten das Internet

Die Frage, die sich daraus ableitet, ist nicht: Wann wird das passieren? Sie lautet vielmehr: Was sagt das über uns aus? Wir akzeptieren den Wandel, wenn er uns erreicht, aber wir gestalten ihn nicht. 

Viele werden jetzt möglicherweise denken: Wieso, wir infomieren uns doch, lesen Artikel, diskutieren sogar mit unseren Freunden, testen die neuen KI's. Das ist genau, was die Hobbyuser in der Anfangszeit des Internet getan haben. Gestaltet haben andere: Kleine Start-ups, die heute Konzerne sind, Unternehmen, die Werbemögichkeiten erkannt haben. Die Politik hat den Anschluss verloren - auch, weil die Masse sich hat mitreißen lassen und niemand die großen Chancen für eine globale Demokratisierung der Welt rechtzeitig erkannt hat. 

Wird das beim nächsten großen Zukunftsthema "KI" genauso passieren? Im Moment sieht es ganz danach aus. Die Hobbyuser füttern die KI's derzeit unentgeltlich mit beträchlichen Datenmengen und verbessern sie damit. Über Nutzen und Gefahren wird zwar lamentiert, aber federführend und lenkend sind wieder Unternehmen, die nach Gewinnmaximierung streben. Sie gestalten derzeit als einizge den Einsatz von KI. Aus der Vergangenheit lässt sich lernen: Ihre Absichten sind dabei nicht unbedingt philanthropisch. 

Revolutionäre Gedanken

Es wird also Zeit, Demokratie ernst zu nehmen und den Wandel, der unzweifelhaft kommen wird, aktiv mitzugestalten. Philosophie kann dazu beitragen, indem sie einen gedanklichen Rahmen für die moderne Zeit erschafft, der auch Begrifflichkeiten definiert und Forderungen formuliert. Denn Philosophen stehen mit beiden Füßen fest in ihrer Zeit und sollten sich mit ihren Bedingungen auseinandersetzen. Wie es zum Beispiel Hegel getan hat, als er Freiheit neu verstand und auf die politische Teilhabe der Bürger abhob. Zu seiner Zeit ein unerhörter, revolutionärer Gedanke.

Wie sehen die revolutionären Gedanken heute aus? Sind wir überhaupt noch in der Lage, über den Tellerrand unseres Wohlstands hinwegzuschauen? Oder lassen wir mit uns einfach Wandel geschehen? Gestalten die Menschen ihren Umgang mit KI oder gestaltet KI unser Leben?

Diskutieren Sie mit und hinterlassen Sie Ihre Gedanken als Kommentar!

Samstag, 3. Juni 2023

Ein Quadratmeter Grün

Kleine Pflanzen sind ein großes Versprechen an die Zukunft
Der philosophische Ansatz ist oft ein skeptischer Blick auf die Gesellschaft. Zurecht, vieles läuft - milde ausgedrückt - nicht optimal. Das schließt aber nicht aus, das Gute zu sehen, da, wo es gelegentlich aufblitzt. Denn auch das gibt Raum für den einen oder anderen philosophischen Gedanken.

Wildblumen als Zeichen und Symbol

Zum Beispiel hat "Die Zeit" vor ein paar Wochen eine Aktion gestartet, die in ihrem Pragmatismus aufhorchen lässt. Der Ausgabe vom 4. Mai 2023 lag ein Tütchen mit Blumensamen bei. Ein Expertenteam hat 25 verschiedene Pflanzenarten pro Tütchen ausgewählt. Sie sollen auf einem Quadratmeter den größten Nutzen für die Artenvielfalt bringen. Denn darum geht es bei der Aktion: Einen Quadratmeter zu bepflanzen, um die Welt bunter, vor allem aber insektenfreundlicher zu machen. Toll! Am 6. Mai waren die Samen schon in der Erde. Eine Woche später keimten sie bereits.

Keine große Sache, könnte man meinen. Aber irgendwie doch. Zum einen macht es einfach Freude, die Pflanzen wachsen zu sehen. Der viel größere Nutzen besteht jedoch darin, tausende von Quadratmetern mit Widblumen zu begrünen. Das ist weitaus mehr als aktiver Umweltschutz. Es ist ein Zeichen, ein Symbol.

Dafür müssen allerdings die Leser der Zeitung und vielleicht ein paar ihrer Bekannten mitmachen. Leider ist das nicht jedermanns Sache. Bei manchen ist die gute Absicht noch nicht umgesetzt und das Tütchen liegt ungenutzt im Regal. Andere wollen ihren gepflegten Garten nicht mit "diesem Unkraut" verunstalten. Dritte finden solche Aktionen von vornherein blöd.

Es ist die Frage nach Veränderung

An diesem Punkt beginnt die philosophische Auseinandersetzung mit der Idee. Was, zum Beispiel, lässt sich bewirken - oder ist alles sowieso vergebens? 

Sicher kann niemand leugnen, dass es immer weniger Insekten gibt. Jedenfalls klatscht beim Autofahren kaum noch ein Insekt an die Windschtuzscheibe. Früher war das anders. Daraus ist unmittelbar abzuleiten, dass es heute sehr viel weniger Insekten gibt. Also wäre es doch gut, dazu beizutragen, dass sich Insekten wieder ausbreiten. Unbestritten sind sie für die Natur wichtig - und damit auch für uns Menschen.

Aber. Immer gibt es ein Aber. Natürlich lässt sich auch das Insektensterben leugnen, beziehungsweise die Schuld daran irgendwelchen Konzernen geben. Das ist weit genug weg, um nicht selbst aktiv werden zu müssen. Es reicht gerade noch für eine Klage: Ach ja, da kann ein einzelner Mensch leider nichts ausrichten.

Kann er doch. Beispielsweise einen Quadratmeter Wildblumen pflanzen. Aber, ist zu hören, dafür habe ich keinen Platz mehr in meinem Garten / auf meinem Balkon / auf meiner Terrasse / am Fenstersims.... 

Sokrates ging in Athen über den Markt und stellte Fragen. Unangenehm müssen diese Fragen seinen Mitmenschen gewesen sein, denn sonst wäre er sicher nicht zum Tod verurteilt worden. Heute muss die Frage schlicht lauten: Warum veränderst du nichts? Was soll ich verändern? wird der eine oder andere zurückfragen. Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: Besitze weniger Dinge.

Über den Quadratmeter hinausdenken

Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein besaßen die Menschen durchschnittlich nur ein paar hundert Dinge in ihrem Leben. Inzwischen erreichen die Besitztümer jedes einzelnen Menschen die Millionengrenze. Jeden Stift, jedes Schnürband, jede Batterie und jedes kleine Spielzeug mitgerechnet. Wir sollten uns heutzutage also weniger Gedanken um das machen, was wir nicht haben, sondern um das, was wir haben. Damit könnte jeder Einzelne bereits großte Mengen an Rohstoffen und schädlichen Abgasen einsparen. In den meisten Fällen sogar, ohne sich sonderlich einschränken zu müssen. 

Das Problem ist, dass viele Menschen Angst vor Veränderung haben. Dabei können Veränderungen das Leben bereichern. Es müssen ja nicht gleich die ganz großen Veränderungen sein. Manchmal genügt es schon, einen Qudratmeter Wildblumen zu pflanzen. Das verändert den eigenen Garten, den Balkon oder die Terrasse. Es verändert aber auch den Blick auf die Welt. Denn wer die Blumen wachsen sieht, achtet darauf, wo sonst noch Blumen wachsen - oder weshalb keine wachsen. Wer bereit ist, einen Quadratmeter seines Gartens für ein paar Blumen (und Insekten) umzugestalten, bleibt dabei vermutlich nicht stehen.

Das Leben kann simpel funktionieren

Das ist die eigentliche Leistung der Zeit-Aktion: Sie bringt manche Menschen vielleicht dazu, über den einen Quadratmeter hinauszudenken. Manche gestalten wahrscheinlich ihren Garten komplett um. Andere beginnen, sich irgendwo zu engagieren oder kommen über den Gartenzaun hinweg miteinander ins Gespräch, um festzustellen, dass sie zusammen schon zwei Quadratmeter gestalten.

Das klingt banal und auch ein wenig naiv. Ist es aber nicht. Viele Menschen haben verlernt, sich an den einfachen Dingen zu erfreuen und mit kleinen Schritten anzufangen. Ein Quadratmeter Wiesenblumen sind mehr, als kein Quadratmeter. Simpel.

Leider vergessen wir oft, dass unser Leben genauso simpel funktionieren kann. Veränderung heißt auch, nicht alles unnötig zu verkomplizieren. Halten wir es also einfach und pflanzen in aller Bescheidenheit einen Quadratmeter Wiesenblumen.