Vor der Tür halten zwei Männer einen kurzen Sonntagsplausch. Beide haben eine große, gut gefüllte Bäckertüte im Arm. Sie tragen kurze Hosen und Sonnenbrillen, wirken entspannt. "Seit sechs Wochen kein Regen", sagt der eine. "Die Hitze wird langsam unerträglich." Darauf der andere: "Und was unternimmt die Regierung gegen den Klimawandel?" Der erste: "Nichts. Das ist doch alles nur Gerede." Sie winken sich zufrieden mit ihren Bäckertüten zu und gehen auseinander.
Kleinigkeiten wie Brötchentüten fallen kaum auf
Eine Alltagsgeschichte, wie sie sich vermutlich tausendfach in Deutschland ereignet. Die Menschen bemerken nicht die Ironie. Sie unterscheiden zwischen verschiedenen Welten: Ihre Privatwelt, in der es um persönliches Wohlbefinden geht und die Umwelt, die den Rahmen für das eigene Glück setzt. Dabei wird alles, was schief läuft, der Umwelt zugeschrieben. Konkret: Den Klimawandel muss die Politik stoppen. Dafür gibt es schließllich Wahlen, mit denen die Privatwelten der Umwelt den Auftrag geben, alles zu regeln. Für die nächsten vier Jahre erledigt.
Kleinigkeiten wie Brötchentüten fallen den wenigsten Menschen auf. Auch wenn es einen Anreiz gibt und obwohl viele sich über steigende Preise aufregen. Zwischen Reden und Handeln klafft eine riesengroße Lücke. Selbst an den Kassen der Supermärkte werden immer noch Tüten verlangt, auch wenn inzwischen für sie bezahlt werden muss. Den Menschen ist das gleichgültig.
Keine Wahl?
Laut Statista stieg der Verbraucherpreisindex für vorgebackene Brötchen in Deutschland im Jahr 2021 um etwa 6,12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele beklagen sich darüber. Es ist ein Thema bei Gesprächen. Wie kann die Umwelt das nur zulassen? Gekauft wird trotzdem. "Wir haben doch keine Wahl", sagen die Menschen.
Doch wie das Beispiel mit den Brötchentüten zeigt, muss es heißen: Sie nutzen ihre Wahlmöglichkeiten nicht. Warum? Vielfach aus Gewohnheit. Es war schon immer so, es muss so bleiben. Dann natürlich aus Gedankenlosigkeit. Was kann ich beim Bäcker schon groß ändern? Dabei könnte eine Vielzahl kleiner Achtsamkeiten viel bewirken. In diesem Fall hätte die Masse einen positiven Einfluss auf die Umwelt.
Masse hat einen ungeheuren Einfluss
Es sind Gewohnheit und Gedankenlosigkeit, zu der auch mangelnde Neugier zählt, die einen erheblichen Anteil an den Schwierigkeiten im gesellschaftlichen Zusammenleben bis hin zum Klimawandel verursachen. Jeder lebt sein Leben. Grundsätzlich aneinander vorbei. Andere spielen nur eine Rolle, insoweit sie in das eigene Leben integriert werden. Familie oder Freunde. Aber keiner will auf seine Brötchentüte für die Umwelt verzichten. Viel zu abstrakt. Was ist das schon - diese Umwelt?
Die Frage lässt sich einfach beantworten: Die Umwelt, das sind wir in unserer Gesamtheit als Masse Mensch. Aus einer Brötchentüte wird also schnell an ganzer Berg Abfall. Zum Beispiel lassen sich die Einweg Kaffeebecher, die unsere Gesellschaft in einem Jahr verbraucht, bis zum Mond stapeln. Pro Stunde sind es etwa 320.000 Einwegbecher. Masse hat einen ungeheuren Einfluss - auch wenn sie nur aus vielen einzelnen Menschen besteht, die alle das Gefühl eint, keine Wahl zu haben.
Wir sind Teil der Entwicklung und können Einfluss nehmen
Woher kommt dieses Gefühl, das in dem oft gehörten Argument gipfelt: Selbst wenn wir die Umwelt entlasten, verseuchen die Chinesen und Amerikaner doch die Natur weiter. Vielleicht daher, weil wir dem menschlichen Erfindergeist und der umsetzenden Wirtschaft immer einen Schritt hinterher zu hinken meinen. Beispiele Internet, Onlinehandel und ganz neu künstliche Intelligenz. Das alles wird der Gesellschaft übergestülpt - meinen wir. Doch schauen wir genau hin, stellen wir fest: Jeder von uns ist Teil dieser Entwicklung. Entsprechend können wir Einfluss nehmen.
Eigentlich. In Wirklichkeit nutzen wir die Angebote freudig und gedankenverloren, sobald sie ihre Massentauglichkeit erreichen. Wir sehen, wie der Onlinehandel den stationären Einzelhandel verdrängt und die Innenstädte allmählich veröden. Aber anstatt in der Nachbarschaft einzukaufen und dabei neue Leute kennenzulernen, bestellen wir im Wohnzimmer Waren aus aller Welt.
Wir haben sehr wohl eine Wahl. Sie beginnt beim Brötchenkauf. Also: Eigenen Beutel einstecken und in der Schlange andere darauf aufmerksam machen, dass es nicht jedesmal eine neue Papiertüte sein muss. Und wenn wir schon dabei sind, können wir unser nächstes Buch auch beim örtlichen Händler bestellen. Das macht viel mehr Spaß, als mit ein paar Klicks eine anonyme Logistikkette in Gang zu setzen. Versprochen.