So steigerten Zuckerrohrplantagen, die auf Sklavenwirtschaft basierten, die durchschnittliche Kalorienzufuhr der Bürger Europas nachhaltig. Daraus folgte unmittebar weniger Hunger, größere Zufriedenheit und höhere Leistungsfähigkeit. Zusammen mit dem Kapital, das sich durch die billigen Arbeitskräfte anhäufte, trug dies entscheidend zur industriellen Revolution bei, die Europa entgültig an die Spitze der weltweit führenden Regionen katapultierte.
Europa stieg auf, weil es Afrika ausbeutete
Natürlich passt es nicht ins schöne Selbstbild, dass der europäische Erfolg zum großen Teil auf Völkermord beruht. Millionen Afrikaner wurden verschleppt und mussten sich auf den Plantagen der Europäer zu Tode arbeiten. Ihre Lebenserwartung betrug fünf bis sieben Jahre. Wohlgemerkt derjenigen, die Gefangenschaft, Verschleppung und Überfahrt überlebten. Aufstände wurden brutal zerschlagen. Die Afrikaner galten als Besitz und nicht als Menschen. Selbst der berühmte erste Satz in der amerikansichen Unabhängigkeitserklärung: "Wir halten diese Wahrheit für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit." galt nicht für afrikanische Menschen, die als Skalven schufteten und eben nicht gleich und frei waren.
In seinem Buch Afrika und die Entstehung der modernen Welt (Klett-Cotta 2023, 508 Seiten, € 35,00) schildert der amerikanische Journalist Howard W. French eindrucksvoll die Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung Afrikas und dem Aufstieg Europas. Dabei lässt er nicht die kulturellen und wirtschaftichen Mechanismen innerhalb Afrikas außer Acht, die den Sklavenhandel begünstigt haben. Vor allem aber berichtet er über das Wettrennen verschiedener europäischer Nationen von Portugal über Spanien bis England um Gold, Land und Menschen in Afrika.
Selbst modernes Management wurde auf Plantagen entwickelt
Die New York Times bezeichnet das Buch als "eine ebenso schmerzhafte wie notwendige Lektüre, die demütig werden lässt". Zurecht. Von Kapitel zu Kapitel wird deutlicher, wie sehr sich Europa auf Kosten Afrikas bereichert hat - und wie groß der Anteil dieses lange verschmähten Kontinents an der Entstehung von Wirtschaftssytemen und politischem Denken unserer modernen Welt ist. So sind erste Vorstellungen von wirtschaftichem Management nicht erst, wie lange behauptet, im Zuge der industriellen Revolution entstanden, sondern bereits durch die Plantagenwirtschaft, um zu kalkulieren, wie Sklaven möglichst effektiv eingesetzt werden können.
Die Leistung von Howard W. French besteht darin, die schon im 15. Jahrhundert beginnende und sich allzu tragisch entwickelnde Beziehung zwischen Afrika und Europa, ohne die unsere Moderne nicht vorstellbar wäre, unverblümt und kenntnisreich darzustellen. Dabei steht der sachliche Bericht im Vordergrund und nicht irgendeine Schuldzuweisung.
Afrika sollte endlich im europäischen Bewusstsein ankommen
An der Entwicklung und ihrem Resultat lässt sich heute nichts mehr ändern. Was jeder einzelne Mensch aber verändern kann, ist seine Sicht auf die Vergangenheit. Wenn wir den Blick auf Afrika richten, sollten wir daran denken, was wir diesem Kontinent zu verdanken haben und was Europa ihm seit Jahrhunderten zumutet.
Ein guter Anfang ist die Lektüre des Buches von Howard W. French, damit die Geschichte Afrikas mit all ihren Verflechtungen zu Europa endlich in das Bewusstsein der Menschen rückt.
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