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Donnerstag, 13. Juli 2023

Innovativer Dämmerschlaf

Buntes Aquarell: Drei Männer philosophieren in einer Bar.
Über philosophische Themen zu sprechen, ist ein echtes Abenteuer. Das zeigte sich auch bei unserer zweiten Veranstaltung "Abenteuer Philosophie live". Zwar waren wir diesmal nur zu Dritt, aber die Runde hatte es in sich. 

Das eigentliche Thema "Künstliche Intelligenz" trat bald in den Hintergrund. Obwohl es immer wieder aufflackerte. Doch es war der Einstieg in einen vielschichtigen Austausch über die politische Situation in unserem Land. Denn wie kann es sein, dass deutsche Wissenschaftler mit in vorderster Reihe auf dem Gebiet der KI stehen, ausländische Unternehmen aber das Rennen machen?

Ein Blick auf Europa lieferte zumindest einen Anhaltspunkt: Der alte Kontinent gerät zunehmend in einen innovativen Dämmerschlaf und andererseits in Aufruhr, wie das Beispiel Frankreich verdeutlicht. 

Imageschaden vermeiden

Deshalb haben wir uns damit beschäftigt, weshalb Bürger sich nicht mehr aktiv in die politische Willensbildung einbringen. Schnell wurde deutlich, wie langatmig und frustrierend es ist, Themen in einer Partei durch die Gremien bis zur Entscheidungsreife auf Bundesebene zu bringen. Nicht jeder hat das nötige Sitzfleisch und die richtigen Nerven dazu.

Politik ist gefangen zwischen Lobbyismus und Meinungsumfragen. Sie setzt schon lange keine eigenen Trends mehr. Politiker vermarkten sich hauptsächlich selbst und haben kaum Interesse an inhaltlichen Diskussionen, in denen sie möglicherweise einen Imageschaden erleiden könnten. Diese Angst wird von den sozialen Medien zusätzlich geschürt, in denen auch gegen Politiker gehetzt wird.

Weltweite philosophische Treffen

Die Menschen wieder mehr miteinander ins Gespräch zu bringen, könnte auch die politische Diskukssion beleben. Dazu trägt "Abenteuer Philosophie" mit seinem Format "Abenteuer Philosophie live" bei. Die Vision: Überall auf der Welt finden solche Treffen statt, auf denen sich die Teilnehmer über aktuelle philosophie Fragen austauschen.

Doch beginnen wir bescheiden. Unser nächstes Treffen ist für den 24. August 2023 terminiert. Wer dazu aktuell informiert erhalten möchte, hinterlässt bitte seine Maildresse im Formular oben. Themenvorschläge werden gerne berücksichtigt. Natürlich darf sich auch jeder an diesem Blog beteiligen - durch Kommentare oder Artikel. Lassen Sie von sich hören!

Dienstag, 11. Juli 2023

Philosophie und Politik

Ein faustschwingender nationalistischer Politiker ist nicht mehr zeitgemäß und muss durch kompetente Macher ersetzt werden.
Neulich wartete ich auf einen Zug. Als er endlich einfuhr, zeigte er einen anderen Ankunfsbahnhof, als gedacht. Viel näher an meinem Ziel. Freude. Zur Sicherheit fragte ich die Zugbegleiterin. "Nee, nee", antwortete sie. "Die Maschine denkt nur, es ist Sonntag, da fahren wir weiter." Leider war Montag.

Szenenwechsel. Zoomcall mit einem Unternehmer in Dubai. "Hier arbeitet die geballte Kompetenz. Menschen mit Visionen. Die sollten in Berlin das Sagen haben. Dann würde unser Land wieder vorankommen. Im Ausland lachen alle nur noch über uns."

Politik funktioniert heute nicht mehr

Ich sitze an einem Arbeitsplatz mit Blick auf die Alster. Darf ein philosophischer Blog politisch sein? frage ich mich. Dann denke ich an Platon, der forderte, der Staat solle von Philosophen gelenkt werden. Vielleicht muss ein philosophischer Blog politisch sein.

Die Frage ist: Warum funktioniert Politik heute nicht mehr? Oder positiv formuliert: Wie kann Politik heute funktionieren? 

Herausforderung ist die globalisierte Welt. Die Macht von Poitikern endet an Staatsgrenzen. Doch viele Bürger leben weit darüber hinaus. Sie sind nicht festgelegt in ihrem Wirkungskreis. Das gilt genauso für Unternehmen. War das nicht immer schon so? In Ansätzen sicher. Die Mögichkeiten sind heute aber wesentlich vielseitiger und die Menschen ungleich mobiler. Sie kehren ihrem Land den Rücken, weil sie anderswo bessere Bedingungen für sich vorfinden. 

Bürger kehren den Staaten den Rücken

Auch die Bürger, die bleiben, kehren ihrem Land mehr und mehr den Rücken zu. Passiv, indem sie zum Beispiel ehrenamtliches Engagement verweigern. Ihr Land ist es in ihren Augen nicht wert, unterstützt zu werden. Diese Einstellung fördert den Aufstieg extremer Parteien und Gruppierungen. 

Die Lösung der Politiker bisher: Appelle an die Bürger. Die nützen natürlich kaum. Viele Menschen haben das Gefühl, nicht mehr in einer richtigen Demokratie zu leben. Zurecht. Bürokratie, Lobbyismus und Marketing setzen die Trends in unserer Gesellschaft, nicht die gewählten Volksvertreter. Postdemokratie, ist dafür der Fachbegriff in der Politologie.

Was tun, wenn die Zeichen deutlich auf Niedergang stehen, auch wenn es der Gesellschaft insgesamt noch sehr gut geht? Lange kann das alles in Europa nicht mehr funktionieren. Das lässt sich nicht nur an den Problemen der Bahn erkennen. 

Asimov und der Fahrstuhl

Bei Isaak Asimov gibt es in der Foundation Trilogie eine wiederkehrende Nebenhandlung, die Niedergang treffend beschreibt. Im aufstrebenen Imperium wird ein neuer Fahrstuhl eingeweiht, der mit Antigravitation läuft. Die Nutzer fallen praktisch durch den Schacht und werden in der richtigen Etage aufgefangen. Eine aufsehenerregende Neuerung. In weiteren Abschnitten beschreibt Asimov den mehr und mehr verfallenden Aufzug, der schließlich außer Betrieb gestellt wird, weil keiner mehr in der Lage ist, ihn zu warten. Die Entwicklung dauert Jahrzehnte.

Nicht anders im heutigen Europa. Krawalle in Frankreich, Brexit in England, Bahnchaos und Investitionsstau in Deutschland. Dazu Inkompetenz wie bei der Autobahnmaut. Alles hängt am seidenen Faden, so das Gefühl der Bürger.

Ängste führen in die Katastrophe

Auf der anderen Seite gibt es eine Menge innovativer Unternehmen. Viele arbeiten inzwischen zwar in anderen Regionen dieser Welt, weil sie nicht ausgebremst werden wollen. Aber es gibt sie. Wie lässt sich ihre Kompetenz nutzen?

Durch ein Umdenken der Politik. Sie muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Es geht nicht mehr um Lagerbildung und Kompetenzgerangel. Deftige Reden helfen auch nicht weiter. Und schon gar nicht Besetzung von Ämtern nach Proporzerwägungen oder irgendwelchen Quoten. Out sind auch leere Floskeln und Personenwahl. Wir brauchen Visionen, konkrete Ziele und nutzbringende Kundenansprache. In diesen Bereichen kann Politik von kleinen und mittelständischen Unternehmen lernen, die sich täglich damit auseinandersetzen, wie sie Kunden gewinnen, ihnen Nutzen bieten und dadurch als zufriedene Kunden halten können. 

Diese Fragen hat sich vermutlich noch kein Staat der Welt gestellt. Doch im heutigen globalen Zeitalter wäre genau das zielführend. Europa muss seine Bürger zurückgewinnen und zugleich die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen. Mit den Methoden des alten Europa ist das von vornherein zum Scheitern verurteilt. Abrenzung, Ängste schüren, Alleingänge, Kämpfe gegen die eigenen Bürger führen, Veränderungen behindern und an alten Werten festhalten - all das führt in die Katastrophe. 

Pünktliche Züge mit korrekter Anzeige

Selbstverständlich sollen die Staaten ihre Bürger schützen. Aber die Sicherheit darf nicht als Ausrede für Aufrüstung und Abschottung dienen. Wenn wir aus Angst andere Menschen ablehnen, werden sich diese Menschen anderswo auf der Welt ansiedeln und dort erfolgreich sein. Es ist im Gegenteil wichtig, die Chancen der Globalisierung zu sehen. Denn Austausch hat die Menschheit immer vorangebracht. Schon die alte Seidenstraße war eine Möglichkeit, neben Waren auch Nachrichten und Informationen zu übermitteln. Warum sollte das heute anders sein?

Europa braucht eine Politik, die Chancen erkennt und visionär ergreift. Wenn die von kompetenen Unternehmern gemacht wird - warum nicht. Vielleicht ist dann auch der eine oder andere Philosoph dabei, um wie Sokrates die richtigen Fragen zu stellen, damit das Gewinnstreben der Nationen nicht zu sehr aus dem Ruder läuft.

Mein Wunsch für die nahe Zukunft ist jedenfalls bescheiden: Pünktliche Züge mit korrekter Anzeige.

Samstag, 17. Juni 2023

Afrika und die Entstehung der modernen Welt

Das Cover des vorgestellten Buches über die Entstehung der modernen Welt mit Blick auf Afrika
Die meisten Menschen in der westlichen Welt nehmen kaum zur Kenntnis, dass sie den Wohlstand ihrer Länder vor allem Afrika zu verdanken haben. Besonders die jahrhunderte lange Ausbeutung der Arbeitskraft afrikanischer Menschen hat zu Reichtum und Entwicklung Europas, später auch der sogenannten Neuen Welt, also hauptsächlich Nordamerikas, beigetragen. 

So steigerten Zuckerrohrplantagen, die auf Sklavenwirtschaft basierten, die durchschnittliche Kalorienzufuhr der Bürger Europas nachhaltig. Daraus folgte unmittebar weniger Hunger, größere Zufriedenheit und höhere Leistungsfähigkeit. Zusammen mit dem Kapital, das sich durch die billigen Arbeitskräfte anhäufte, trug dies entscheidend zur industriellen Revolution bei, die Europa entgültig an die Spitze der weltweit führenden Regionen katapultierte. 

Europa stieg auf, weil es Afrika ausbeutete

Natürlich passt es nicht ins schöne Selbstbild, dass der europäische Erfolg zum großen Teil auf Völkermord beruht. Millionen Afrikaner wurden verschleppt und mussten sich auf den Plantagen der Europäer zu Tode arbeiten. Ihre Lebenserwartung betrug fünf bis sieben Jahre. Wohlgemerkt derjenigen, die Gefangenschaft, Verschleppung und Überfahrt überlebten. Aufstände wurden brutal zerschlagen. Die Afrikaner galten als Besitz und nicht als Menschen. Selbst der berühmte erste Satz in der amerikansichen Unabhängigkeitserklärung: "Wir halten diese Wahrheit für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit." galt nicht für afrikanische Menschen, die als Skalven schufteten und eben nicht gleich und frei waren.

In seinem Buch Afrika und die Entstehung der modernen Welt (Klett-Cotta 2023, 508 Seiten, € 35,00) schildert der amerikanische Journalist Howard W. French eindrucksvoll die Zusammenhänge zwischen der Ausbeutung Afrikas und dem Aufstieg Europas. Dabei lässt er nicht die kulturellen und wirtschaftichen Mechanismen innerhalb Afrikas außer Acht, die den Sklavenhandel begünstigt haben. Vor allem aber berichtet er über das Wettrennen verschiedener europäischer Nationen von Portugal über Spanien bis England um Gold, Land und Menschen in Afrika. 

Selbst modernes Management wurde auf Plantagen entwickelt

Die New York Times bezeichnet das Buch als "eine ebenso schmerzhafte wie notwendige Lektüre, die demütig werden lässt". Zurecht. Von Kapitel zu Kapitel wird deutlicher, wie sehr sich Europa auf Kosten Afrikas bereichert hat - und wie groß der Anteil dieses lange verschmähten Kontinents an der Entstehung von Wirtschaftssytemen und politischem Denken unserer modernen Welt ist. So sind erste Vorstellungen von wirtschaftichem Management nicht erst, wie lange behauptet, im Zuge der industriellen Revolution entstanden, sondern bereits durch die Plantagenwirtschaft, um zu kalkulieren, wie Sklaven möglichst effektiv eingesetzt werden können.

Die Leistung von Howard W. French besteht darin, die schon im 15. Jahrhundert beginnende und sich allzu tragisch entwickelnde Beziehung zwischen Afrika und Europa, ohne die unsere Moderne nicht vorstellbar wäre, unverblümt und kenntnisreich darzustellen. Dabei steht der sachliche Bericht im Vordergrund und nicht irgendeine Schuldzuweisung. 

Afrika sollte endlich im europäischen Bewusstsein ankommen

An der Entwicklung und ihrem Resultat lässt sich heute nichts mehr ändern. Was jeder einzelne Mensch aber verändern kann, ist seine Sicht auf die Vergangenheit. Wenn wir den Blick auf Afrika richten, sollten wir daran denken, was wir diesem Kontinent zu verdanken haben und was Europa ihm seit Jahrhunderten zumutet. 

Ein guter Anfang ist die Lektüre des Buches von Howard W. French, damit die Geschichte Afrikas mit all ihren Verflechtungen zu Europa endlich in das Bewusstsein der Menschen rückt.