Das ist sicher eine der sichtbaren Erscheinungen unserer heutigen modernen Zeit: Bücher und Zeitungen verschwinden aus dem öffentllichen Raum. Haben früher in der Bahn die meisten Reisenden gelesen, sind nun Mobiltelefonie das häufigst genutzte Equipment. Kein Rascheln beim Umblättern der Zeitungen, kein Seufzer am Ende eines Romans. Nur das helle Licht der Bildschirme und durcheinander gemengte Stimmschnipsel von Telefongesprächen. Gelesen wird, wenn überhaupt noch, im stillen Kämmerlein. Vielleicht vor dem Einschlafen.
Das Smartdevice ist der Faustkeil der modernen Zeit
Verkehrte Welt. Das Private wird öffentlich, während er öffentliche Diskurs über aktuelle Artikel und umstrittene Werke angesagter Autoren immer mehr verstummt. Dafür erfahren Mitreisende, welche Tabletten Tante Erna nehmen muss und wie sehr Opa Emil unter Oma Olga leidet. Beziehungsprobleme werden im Abteil am Telfon besprochen und so manche Trennung bekommt der peinlich berührte Nebenmann zwangsläufig mit - auch wenn er sich wünscht, das Gespräch wie ein Radio abschalten zu können. Aber was ist ein Radio? Wer kennt das noch? Heute wird gestreamt und das Smartdevice, das vor Jahrtausenden noch ein einfacher Faustkeil war, verbindet uns heute mit der ganzen Welt.
Wohin der Faustkeil uns führte, ist hinlänglich bekannt. Doch wohin führt das Mobiltelefon die Menschheit? Einstweilen führt es uns fort - vom Lesen, von langen gedankenverlorenen Blicken aus dem Fenster, von Gesprächen mit zufällilgen Bekanntschaften. Unser Körper reisen umher, doch unser Geist schlägt eine andere Route ein.
Die meisten Menschen sind heute doppelt unterwegs
Wir leben in einer Zeit, in der Körper und Geist oft getrennte Wegen gehen. Der eine im Hier und Jetzt, der andere im virtuellen Irgendwo. Der Zug wird vom öffentlichen Raum, einem Ort der Begegnung, zu einer reinen Transportkabine degradiert. Und das ist nicht die einzige Herabstufung. Die Mitmenschen entwickeln sich von Gesprächspartnern zu Followern. Ihr Wert bemisst sich nach den Likes, die sie verteilen.
In der virtuellen Welt werden Menschen damit zu Objekten, deren Aufgabe es ist, Zahlen zu erzeugen, um mehr Objekte zu binden. Kommunikation verarmt, weil es nur darum geht, Häkchen, Sterne oder vergleichbare Symbole zu setzen. Selbst Kommentare dienen vor allem der messbaren Interaktion.
Ein Gegenentwurf zur digitalen Welt
Diese Messbarkeit ist der stärkste Unterschied zwischen der virtuellen und der realen Welt. Jeder Schritt ist nachvollziehbar. Die Datenspur führt durch unser aller Leben und die Masse der Datenspuren durchleuchtet die Gesellschaft. Deshalb wird die Welt im Eiltempo digital. Sie lässst sich auf diese Weise bis ins Kleinste analysieren. Vielleicht wollen die Menschen dadurch ihre Urangst vor der Dunkelheitt bekämpfen. Jedenfalls bringt die Digitalisierung Licht auch in den kleinsten Winkel unseres Daseins. Mehr Objekt geht nicht. Während Kühe ihrer Milch wegen gemolken werden, saugt das Internet den Menschen die Daten aus. Deshalb sollen wir es möglichst ständig nutzen.
Der Gegenentwurf sollte also heißen: Lest mehr Zeitungen und Bücher, trefft euch, redet darüber, vor allem: Lasst eure Mobiltelefone dabei ausgeschaltet! Führt Körper und Geist wieder zusammmen, indem ihr beieinander seid. Zum Beispiel auch bei philosophischen Gesprächen. Berichtet darüber. Ladet neue Leute ein. Nutzt die digitalen Möglichkeiten, um die reale Welt zu beleben.
Ich freue mich über eure Ideen und Kommentare. Wie wäre es mit einer Buchempfehlung oder Terminen zu euren Veranstaltungen?