Philosophie als Abenteuer entdecken und gemeinsam auf eine spannende gedankliche Reise zu den Urgründen des menschlichen Lebens gehen - das ist Abenteuer Philosophie.
Samstag, 23. Dezember 2023
Anderwelt: Niemandsland
Sonntag, 30. Juli 2023
Dafür sein
Interessant ist die sprachliche Umkehr. Das neue „dafür“ ist ein „dagegen“. Eine negativ Formulierung. Es geht nur um den Erhalt des Status quo, keinesfalls um Veränderung oder gar einen Aufbruch. Das „für“ ist ein aktiver Schritt. Ein „dagegen“ nur ein lassen. Mit anderen Worten: Um für etwas zu sein, braucht es Ideen, während das dagegen sein die Einstellung anderer negiert. Die Gesellschaft tendiert also gegenwärtig zum Aufhalten und nicht zum Machen.
Nur ein für wiedersetzt sich dem dagegen
Dabei ist ein „für“ viel spannender. Neues entdecken, wagen und ausprobieren bringt Menschen, Gruppe und ganze Gesellschaften voran. Außerdem zeigt es eine grundsätzliche Lebenseinstellung. Wer sich für etwas einsetzt beginnt gerne jeden neuen Tag, ist meist positiv gestimmt und voller Elan. Er ärgert sich nicht darüber, dass ihm vielleicht etwas weggenommen wird, sondern freut sich über das Neue, das er erreicht. Was nicht funktioniert, verwirft er und setzt seinen Weg auf einem anderen Pfad fort. Er kämpft für seine Ideen und nicht gegen das Denken von anderen. Ein himmelweiter Unterschied.
Das gilt gleichermaßen im Privatleben, wie in Politik und Wirtschaft: Ein dagegen führt zu Stagnation, was ein noch größeres dagegen bedingt. Äußere Feinde werden erschaffen, um ein dagegen zu stärken und die eigenen Unzulänglichkeiten auf sie abzuwälzen. Ein Teufelskreis, der nur auf eine einzige Art und Weise durchbrochen werden kann – mit einem kräftigen „für“.
Fünf Tipps, wie ein Wechsel aus der „dagegen Haltung“ in eine „für Kultur“ gelingen kann:
2. Das dagegen sein durch eine Alternative ablösen: Daran mangelt es meist. Wenn es jedoch gelingt, ist dieses Vorgehen oft erfolgreich. Wie das alkoholfreie Bier – eine Alternative für Autofahrer, die nicht auf den Biergeschmack verzichten möchten. Der Anlass dieser Innovation war die Aktion gegen Alkohol am Steuer. Gibt es im eigenen Leben Alternativen für ein bloßes dagegen sein?
3. Sprache und damit Denken verändern: Das negative Wort „dagegen“ möglichst häufig im eigenen Sprachgebrauch ersetzen. Als positive Wendungen eignen sich „für“, „alternativ“, „aufbauend“, „innovativ“, „ergänzen“ und einige mehr. Durch die Sprachwahl entstehen neue Denkmuster, die sich vorteilhaft auf die eigene Stimmung und das Handeln auswirken.
4. Aufbau statt Ablehnung: Es ist einfach, dagegen zu sein, aber viel schwerer, etwas aufzubauen. Doch nur der Aufbau hilft, das zu verändern, wogegen man sich wendet. Ein Beispiel ist China. Mit seinem Projekt der „Neuen Seidenstraße“ baut das Land auf. Wenn auch umstritten, ist es eine wirkmächtige Idee, durch die China die bisherige Vormachtstellung der westliche Welt zurückdrängt.
5. Menschen, die gegen etwas sind, für eine Idee gewinnen: Das ist der möglicherweise schwerste Schritt. Aber er ist notwendig, um die Stimmung einer Gruppe aufzuhellen und damit auch ihr Verhalten. Eine Menge Menschen wollen sich aufregen und ärgern. Sie schimpfen gerne über alles. Sie zu motivieren und zu begeistern für eine Sache einzustehen, kann ungeheure Energie freisetzen und vieles positiv verändern.
Auf zu neuen Ufern
Diese fünf Tipps können helfen, aus der negativen Haltung des dagegen seins auszubrechen und zu einem Macher zu werden, der für Ideen kämpft, anstatt nur die Einstellung anderer abzulehnen. Wer strikt gegen etwas ist, will hauptsächlich bewahren und erkennt nicht, dass die Zeit längst abgelaufen ist. Ein dafür sein ist meist der Aufbruch zu neuen Ufern. Dort warten meist interessante Ideen, spannende Erkenntnisse, kluge Menschen und aufregende Möglichkeiten. Die Gefahren sind nicht zu unterschätzen – die Chancen überwiegen jedoch meist.
Teilt eure Erfahrungen mit dem dagegen und dafür sein gerne in den Kommentaren.
Donnerstag, 27. Juli 2023
Individualität ist Illusion
Historische Abschnitte
Woher kommt diese Gewissheit, ausgelöst von Wortfetzen und Farbsignalen? Sie ist Teil unserer kulturellen Identität. Geprägt durch gemeinsame Erinnerungen und ähnliche Erlebnisse in einer konformen Gesellschaft innerhab eines sich überschneidenden Zeitrahmens. Mit anderen Worten: Wir Menschen sind gar nicht so individuell, wie wir denken. Wer in einen historischen Abschnitt hineingeboren wird, ist beeinflusst von besonderen Ereignissen und Lebensumständen.
Kollektives Gedächtnis und vermeintliche Einzigartigkeit
Insbesondere in der heutigen medialen Massengesellschaft verbreiten sich Ansichten und Meinungen gleichmäßig über alle Regionen und durch jede gesellschaftliche Schichte. Gleichaltrige sind mit derselben Fernsehwerbung aufgewachsen, kennen dieselben Witze, tanzen zur selben Musik und verfügen über eine große Sammlung gemeinsamer geschichtlicher Erinnerungen. Neu ist seit der Entstehung der Kulturindustrie die Ausweitung des kollektiven Gedächtnisses auf große Gruppen, die sich als Nationen verstehen. Mit der Globalisierung durchmischen sich diese Gruppen einerseits vor allem auf virtueller Ebene. Doch schließen sie sich in der realen Welt oftmals auch aus. Menschen sind neugierig aufeinander und haben voreinander Angst. Sie fühlen sich in der Masse wohl, betonen aber ihre Individualität.
Je mehr sich Menschen vernetzen, müssen sie jedoch erkennen, dass ihre Individualität nur eine vermeintliche Einzigartigkeit ist. Als Kind glaubt jeder, der eigene Name, die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, die besonderen Rituale in der Familie seien exklusiv. Das ist nicht der Fall. Das Internet zeigt jeden Tag, wie oft jede Idee gedacht, jede Stimmung durchlebt wird, wie viele Menschengruppen in pink gerade vor einem Kino stehen und in Erinnerungen an ihre Barbiewelt schwelgen.
Flucht aus der Barbiewelt
Wir wissen das, wollen es aber nicht wahrhaben. Die Menschen sind ambivalent, was ihre Zugehörigkeit zur Menschheit betrifft. Sie möchten eins sein, aber als Einzelne wahrgenommen werden. Deshalb wählen Frauen für Veranstaltungen mit Bedacht ihre Kleider aus und sind enttäuscht, wenn eine andere dasselbe Kleid trägt. Darum lassen sich immer mehr Leute tätowieren. Sie wollen ihrer Individualität Ausdruck verleihen, nur um festzustellen, dass tausende Andere es ihnen gleichtun. Es gibt kein Entrinnen vor der Gleichartigkeit, weil wir in unserer Zeit ähnliche Lebensumstände vorfinden, ähnliche Erfahrungen machen, weshalb wir auch ähnlich denken und fühlen.
Oder gibt es doch einen Ausweg aus dieser Barbiewelt, die wir uns selbst erschaffen? Viele Menschen fühlen sich in der Geborgenheit der Masse wohl. Ihnen genügen kleine Beweise für ihre Individalität, wie ein Schmuckstück oder eine Wesensart, die in ihrer Gruppe nur mit ihnen in Verbindung gebracht wird. Sie sind glücklich, eingebunden zu sein und aufgrund äußerer Merkmale als Person erkannt zu werden. Wer aber die Flucht aus der Barbiewelt antreten will, der muss sehr, sehr weit nach vorne laufen. Die Avantgarde ist zwar eine einsame Position, dafür kann sie für sich tatsächlich Einzigartigkeit in Anspruch nehmen. Allerdings nur kurze Zeit. Denn die Vorläufer werden eingeholt und kopiert, bis auch sie wieder in der Masse untergehen. Selbst der erste Mensch auf dem Mond durfte sich nicht lange seiner Einzigartigkeit rühmen. Nach ihm landeten alsbald andere Astronauten und hinterließen ebenfalls ihr Fußabdrücke auf dem Erdtrabanten.
Diese Lehre immerhin vermittelt uns der Barbie-Film: Individualität ist Illusion. Bildlich gesprochen laufen wir alle in pinken Outfits durch die Welt. Aber manche Kleider haben einen Kragen, andere sind ärmellos und die Längen variieren auch. Wem das nicht ausreicht, der kann es ja mit Blau oder Grün probieren. Aber nicht über die schiefen Blicke und das Gerede hinter vorgehaltener Hand wundern. Das gibt sich. Irgendwann wechseln alle die Farbe ihrer Kleidung.