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Donnerstag, 27. Juli 2023

Individualität ist Illusion

Menschen als schwarze Silhouette stehen vor einem Kino in pink
Eine Gruppe Menschen steht vor dem Kino. Hosen, Shirts und Kleider - alles pink. Strahlende Gesichter, Erinnerungen werden ausgetauscht. "Ich hatte den Reitstall und den Camper", sagt eine ältere Frau. "Das Haus und die Küche waren traumhaft", nickt eine andere. Momentaufnahmen im Vorbeigehen. Doch auch dem zufälligen Beobachter ist sofort klar: Die Leute haben gerade den Barbie-Film gesehen.

Historische Abschnitte

Woher kommt diese Gewissheit, ausgelöst von Wortfetzen und Farbsignalen? Sie ist Teil unserer kulturellen Identität. Geprägt durch gemeinsame Erinnerungen und ähnliche Erlebnisse in einer konformen Gesellschaft innerhab eines sich überschneidenden Zeitrahmens. Mit anderen Worten: Wir Menschen sind gar nicht so individuell, wie wir denken. Wer in einen historischen Abschnitt hineingeboren wird, ist beeinflusst von besonderen Ereignissen und Lebensumständen.

Kollektives Gedächtnis und vermeintliche Einzigartigkeit

Insbesondere in der heutigen medialen Massengesellschaft verbreiten sich Ansichten und Meinungen gleichmäßig über alle Regionen und durch jede gesellschaftliche Schichte. Gleichaltrige sind mit derselben Fernsehwerbung aufgewachsen, kennen dieselben Witze, tanzen zur selben Musik und verfügen über eine große Sammlung gemeinsamer geschichtlicher Erinnerungen. Neu ist seit der Entstehung der Kulturindustrie die Ausweitung des kollektiven Gedächtnisses auf große Gruppen, die sich als Nationen verstehen. Mit der Globalisierung durchmischen sich diese Gruppen einerseits vor allem auf virtueller Ebene. Doch schließen sie sich in der realen Welt oftmals auch aus. Menschen sind neugierig aufeinander und haben voreinander Angst. Sie fühlen sich in der Masse wohl, betonen aber ihre Individualität.

Je mehr sich Menschen vernetzen, müssen sie jedoch erkennen, dass ihre Individualität nur eine vermeintliche Einzigartigkeit ist. Als Kind glaubt jeder, der eigene Name, die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, die besonderen Rituale in der Familie seien exklusiv. Das ist nicht der Fall. Das Internet zeigt jeden Tag, wie oft jede Idee gedacht, jede Stimmung durchlebt wird, wie viele Menschengruppen in pink gerade vor einem Kino stehen und in Erinnerungen an ihre Barbiewelt schwelgen.

Flucht aus der Barbiewelt

Wir wissen das, wollen es aber nicht wahrhaben. Die Menschen sind ambivalent, was ihre Zugehörigkeit zur Menschheit betrifft. Sie möchten eins sein, aber als Einzelne wahrgenommen werden. Deshalb wählen Frauen für Veranstaltungen mit Bedacht ihre Kleider aus und sind enttäuscht, wenn eine andere dasselbe Kleid trägt. Darum lassen sich immer mehr Leute tätowieren. Sie wollen ihrer Individualität Ausdruck verleihen, nur um festzustellen, dass tausende Andere es ihnen gleichtun. Es gibt kein Entrinnen vor der Gleichartigkeit, weil wir in unserer Zeit ähnliche Lebensumstände vorfinden, ähnliche Erfahrungen machen, weshalb wir auch ähnlich denken und fühlen.

Oder gibt es doch einen Ausweg aus dieser Barbiewelt, die wir uns selbst erschaffen? Viele Menschen fühlen sich in der Geborgenheit der Masse wohl. Ihnen genügen kleine Beweise für ihre Individalität, wie ein Schmuckstück oder eine Wesensart, die in ihrer Gruppe nur mit ihnen in Verbindung gebracht wird. Sie sind glücklich, eingebunden zu sein und aufgrund äußerer Merkmale als Person erkannt zu werden. Wer aber die Flucht aus der Barbiewelt antreten will, der muss sehr, sehr weit nach vorne laufen. Die Avantgarde ist zwar eine einsame Position, dafür kann sie für sich tatsächlich Einzigartigkeit in Anspruch nehmen. Allerdings nur kurze Zeit. Denn die Vorläufer werden eingeholt und kopiert, bis auch sie wieder in der Masse untergehen. Selbst der erste Mensch auf dem Mond durfte sich nicht lange seiner Einzigartigkeit rühmen. Nach ihm landeten alsbald andere Astronauten und hinterließen ebenfalls ihr Fußabdrücke auf dem Erdtrabanten.

Diese Lehre immerhin vermittelt uns der Barbie-Film: Individualität ist Illusion. Bildlich gesprochen laufen wir alle in pinken Outfits durch die Welt. Aber manche Kleider haben einen Kragen, andere sind ärmellos und die Längen variieren auch. Wem das nicht ausreicht, der kann es ja mit Blau oder Grün probieren. Aber nicht über die schiefen Blicke und das Gerede hinter vorgehaltener Hand wundern. Das gibt sich. Irgendwann wechseln alle die Farbe ihrer Kleidung.

Samstag, 8. Juli 2023

Mit einem Lächeln durch die Welt gehen

Ein düster dreinblickender Mann mit einem Schild in der Hand, auf dem unverständliche Forderungen in künstlicher Sprache stehen.

Neulich im Zug: Zwei Mädchen steigen ein, vielleicht 16 Jahre alt. Sie unterhalten sich über Schule und die bevorstehenden Ferien. Eine der beiden legt dabei ihren Fuß samt Schuh auf den freien Sitz neben sich. Soll ich sie auffordern, das zu unterlassen? Nein, sage ich mir, soll sie ihre Freiheit austesten. 

Wenig später stehe ich auf, um auszusteigen. Ich schnappe mir meine Tasche und falle fast auf die Mädchen, als der Zug plötzlich einen letzten Schlenker vor der Haltestelle macht. Gerade noch packe ich einen Griff. Nichts passiert.

Doch als ich zur Tür gehe, ruft mir eines der Mädchen hinterher: "Wenigstens entschuldigen hätten sie sich können!"

Daraufhin drehe ich mich um und sage in aller Ruhe: "Würdest du deinen Fuß vom Sitz nehmen?"

"Nö", ist die Antwort.

"Dann bekommst Du auch keine Entschudligung", sage ich. "Höflichkeit gegen Höflichkeit. Oder?"

In diesem Moment öffnet sich die Tür und ich höre nicht mehr, ob es eine Erwiderung gibt.

Das Leben schreibt die nachdenklichsten Geschichten

Aber die kleine Episode nagt an mir, denn sie ist typisch für das gesellschaftliche Geschehen. Es wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Das eigene Verhalten ist auf maximal freizügiges Verhalten ausgerichtet, wärend von anderen Menschen maximale Rücksichtnahme eingefordert wird. Natürlich kollidieren die unterschiedlichen Welten fortwährend.

Höflichkeit ist nur eine oberflächliche Tugend, solange sie nicht wirklich von Herzen kommt, schreibt das Philosophie Magazin. Doch sie hilft, die Begegnung von Fremden zumindest verträglich zu gestalten. Nicht nur das: Zusammen mit Neugier und Interesse knüpft sie Freundschaften.

Höflichkeit zu fordern und sich selbst schlecht zu benehmen, funktioniert allerdings nicht. Falsche Einstellung, Thema verfehlt. Genau das ist allerdings augenblicklich besonders bei jüngeren Menschen zu beobachten. Vereinfacht ausgedrückt herrscht das Denken vor: "Ich darf alles, du darfst nichts." Woher das kommt? Die Vermutung liegt nahe: Eine Frage der Erziehung. Das ist jedoch zu kurz gegriffen.

Es gibt keine guten Vorbilder

Die Gesellschaft selbst gibt kein gutes Vorbild ab. Strukturen funktionieren kaum noch, weil es allen und jedem recht gemacht werden soll. Eine unbedachte Bemerkung kann rassistisch, sexistisch, nicht gendergemäß, anstößig oder sonstwie daneben sein. Alle dürfen sofort aufschreien, sobald irgendetwas nicht passt. Kinder drohen schon mit Rechtsanwalt und zucken wehleidig zusammen, wenn trotzdem durchgegriffen wird. Sie sind es einfach nicht mehr gewohnt, dass sie nicht ihren Willen bekommen.

Kaum anders in der Politik. Alle Parteien riefen geschlossen dazu auf, einen Kandidaten von der CDU zu wählen, um einen AfD Mann als Landrat zu verhindern. Was, bitteschön, ist das denn für eine Demokratie, in der sich Politiker nicht anders zu helfen wissen, als den Menschen Angst zu machen? Versagen auf ganzer Linie. Besonders als Vorbilder. 

Aber fassen wir uns auch an die eigene Nase. Die wenigsten Menschen in unserer Gesellschaft engagieren sich noch ehrenamtlich. Nicht einmal mehr der Hälfte der Einwohner ist dieses Land freiwillige Arbeit wert. Woran das liegt, bedarf einer repräsentativen wissenschaftlichen Untersuchung. Vermutlich sind alle zu sehr damit beschäftigt, zu komsumieren, wie es die Marktwirtschaft verlangt. Arbeit und Konsum füllen den weitaus größten Teil des Tages für die meisten Menschen. Da bleibt kaum noch Zeit für Jugendarbeit, Kommunalpolitik oder die freiwillige Feuerwehr, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Nachwuchs fehlt allerorten.

Scheingefechte, die ins Leere laufen

Dabei steigt die Zufriedenheit deutlich, wenn man Gutes tut. Anders als beim Kauf von Konsumartikeln, die oft schon nach wenigen Tagen in der Ecke liegen. Doch die oberflächliche Befriedigung von Wünschen ist einfacher und schneller erledigt. Ähnlich einem Suchtverhalten. Über Generationen gelernt. Von der Politik gefördert. Unsere Gesellschaft ist geprägt vom Liberalismus und seinem Projekt der kommerziellen Globalisierung. Deshalb wird staatsbürgerliches Engagement nur oberflächlich hochgehalten und ist Höflichkeit nicht besonders wichtig. 

Gleichberechtigung, Genderwahn, selbst Umweltschutz und Kampf gegen den Klimawandel sind nur Scheingefechte, die letztlich ins Leere laufen. Sobald sie dem Konsum abträglich sind, werden sie zuerst be- und dann verhindert. Deshalb hat eine rechtsextreme Partei überhaupt eine Chance. Die Menschen spüren, dass diese Konsumwelt aus dem Ruder läuft. Sie verkennen allerdings, das rechte Parteien ebenso die Gunst dieser Konsumwelt brauchen, wie die der Mitte und sogar linke. 

Heute macht es leider keinen Unterschied mehr, bei welcher Partei die Wähler ihr Kreuz setzen. Unsere Gesellschaft wird bestimmt von der Konsum- und der Kulturindustrie in Zusammenarbeit mit der im Hintergrund agierenden Bürokratie. Die Parteien haben ihre Bedeutung inzischen fast vollständig verloren und liefern nur noch eine inhaltsleere Show zur Beruhigung der Bevölkerung.

Jeder kann zur Veränderung beitragen

Natürlich stellt sich die Frage, was sich unternehmen lässt, um die Demokratie wieder zu beleben. Die Antwort führt zurück zum Anfang dieses Posts. Seien wir im ersten Schritt höflich zueinander. Das weckt Interesse an den Mitmenschen. Wir könnten miteinander ins Gespräch kommen. Der Austausch führt zum Nachdenken und das Nachdenken zu mehr Engagement. Leider ist das die Kurzfassung. Der gesellschaftliche Weg ist viel länger und dauert seine Zeit. Aber es lohnt sich, damit zu beginnen.

Jeder kann dazu beitragen. Seid höflich im Umgang miteinander und neugierig aufeinander. Erfreut euch an der Vielseitigkeit der Menschen um euch her. Ihr könnt von ihnen lernen und sie von euch. Das allein ändert auf Dauer eine Menge.

Klingt naiv? Ist es auch. Denn wie das Beispiel oben zeigt, sind wir allein schon von der Höflichkeit weit entfernt. Die gute Nachricht aber lautet: Jeder kann sofort mit dem "Projekt Höflichkeit" beginnen. Einfach aufstehen und mit einem Lächeln durch die Welt gehen. Das hilft. Versprochen.

Freitag, 23. Juni 2023

Philosophischer Austausch über Grenzen hinweg

Künstliche Intelligenz kann beängstigend sein, bietet aber auch Chancen
Abenteuer Philosophie live geht in die zweite Runde. Am 11. Juli 2023 treffen wir uns ab 19:00 Uhr zum Thema "Künstliche Intelligenz - wie verändert sie unsere Gesellschaft?" Jeder ist herzlich eingeladen. Hier gibt es weitere Informationen zu der Veranstaltung.

Die Vision hinter den Treffen: In naher Zukunft werden philosophische Gespräche in diesem Format überall auf der Welt stattfinden. Die verschiedenen Gruppen vernetzen sich und tauschen sich aus. Alle lernen von allen - multikulturell und vor allem über nationale Grenzen hinweg. Ein echter philosophischer Austausch. Denn was Philosophie wirklich ausmacht ist unstillbare Neugier - auf neue Themen und das Denken anderer Menschen. 

Keine einzige Minute langweilig

Genau diese Neugier war schon beim ersten Treffen vor ein paar Wochen zu spüren. Menschen kamen zusammen, um miteinander zu reden. Mehr als drei Stunden - und es war keine einzige Minute langweilig. 

Dieses Mal wird es wieder eine Premiere geben. Zum ersten Mal diskutiert eine KI mit und wird sich mit unserem Thema aktiv auseinandersetzen. Dabei geht es um die ethischen, sozialen, kulturellen Herausforderungen und Chancen von künstlicher Intelligenz. Erwartet wird ein spannender Dialog zwischen verschiedenen Intelligenzformen, die sich gerade erst kennenlernen.

Jeder kann mitmachen

Wer seine eigene Veranstaltungsreihe unter dem Titel "Abenteuer Philosophie live" ins Leben rufen möchte, kann damit jederzeit starten. Einzige Bedingung: Bitte hier auf dem Blog darüber berichten. 

Das gilt natürlich auch für Themen: Alle sind eingeladen, diesen Blog für eigene Beiträge zu nutzen. Einfach zur Veröffentlichung an mich mailen. Ich bin gespannt auf vielfältige Inhalte.