Seit einiger Zeit ist es nicht mehr selbstverständich ein Mensch zu sein. Jedenfalls im Internet. Denn es sind Bots unterwegs, die sich wie Menschen verhalten, um alle möglichen Aktionen durchzuführen. Deshalb müssen sich Menschen als solche ausweisen und diesbezüglichen Tests unterziehen. Manchmal genügt es einen Haken zu setzen, mit dem wir bestätigen kein Bot zu sein. Öfter weden wir genötigt, Ampeln, Flugzeuge, Fahrräder oder Schiffe auf einer Auswahl von Bildern zu erkennen und zu zählen. Ist das nicht entwürdigend?
Doch ist noch kein Protest laut geworden. Niemand scheint sich darüber zu wundern oder zu beschweren. Der Menschentest ist schleichend gekommen und kritiklos haben wir uns an ihn gewöhnt.
Wer testet wen?
Captchas heißen die Tools, die unsere Menschlichkeit überprüfen. Hinter der Abkürzung verbirgt sich die vielsagende Bezeichnung: "Completely automated public Turing Test to tell Computers and Humans apart." Dabei wurde der Test von Alan Turing in den 1950er Jahren entwickelt, um die Leistungsfähigkeit von Computern mit menschlicher Intelligenz zu vergleichen. Er selbst nannte seine Entwicklung ursprünglich Imitation Game. Ein Mensch stellt Fragen und muss dann entscheiden, ob die Antworten von einem Mitmenschen oder einer Maschine stammen. Die Idee dahinter: Wenn Mensch und Maschine nicht mehr zu unterscheiden sind, haben wir es mit künstlicher Intelligenz zu tun.
Die Wirklichkeit hat - wie so oft - die Theorie überholt. Nur dass die Maschinen den Spieß irgendwie umgedreht haben. Die Menschen müssen einen Nachweis ihrer Menschlichkeit erbringen. Spricht das allein nicht schon für die Überlegenheit von künstslicher Intelligenz?
Oder spricht vielmehr gegen die Intelligenz der Menschen die Tatsache, wie bereitwillig sie sich diesen fortwährenden kleinen Tests im Internet unterziehen?
Wir beginnen Arbeitsplätze mit Maschinen zu teilen
Schleichend geben die Menschen auf, was sie bisher immer für selbstverständlich hielten - ihr Alleinstellungsmerkmal als intelligente Lebensform auf der Erde. Wir beginnen schon zu teilen und den wenigsten fällt es auf.
Aktuell verlieren wir Arbeitsplätze an künstliche Intelligenzen. Unternehmen kommunizieren das ganz offen. Noch immer regt sich kaum Protest. Arbeitnehmer hoffen darauf, dass durch den vermehrten Einsatz von KI neue Arten von Jobs geschaffen werden. Zum Beispiel Menschenerklärer, die mittels Algorithmen Maschinen das Denken und Verhalten von Menschen nahebringen.
Anfänge eines tiefgreifenden Wandels
Wir haben keine Worte für das, was gerade geschieht. Deshalb nennen wir es technische Revolution. In Wahrheit ist es Evolution. Ein langsamer Prozess der Entwicklung und Verdrängung. Natürlich glauben wir daran, alles im Griff zu haben. Aber dieser naive Glaube wurde schon oft in der Geschichte der Menschheit erschüttert.
Was wir gerade erleben sind die Anfänge eines tiefgreifenden Wandels. Unser Wertesystem wird sich verändern, unser Selbstbild und unser Glaube, wenn die Menschheit zum Schöpfer mutiert. Gleichgültig, wie intelligent KI letztendlich wird, wie eigenständig und empathisch: Ab sofort sind wir nicht mehr allein, gibt es eine Art neben uns, die es mit der Menschheit aufnehmen kann.
Das ist natürlich kein Grund für Panik, sondern für Neugier. Was folgt aus diesen Feststellungen? Inwieweit müssen die Menschen ihre Philosophie überdenken? Zum Beispiel in der Ethik. Wie eigenverantwortlich ist künstliche Intelligenz? Ab wann hört sie auf, einfach nur als Maschine zu gelten? Aber auch: Was bedeutet es in Zukunft, ein Mensch zu sein?
Künstliche Intelligenz greift in unser Leben ein
Es wird komplizierter mit unserer Schöpfung neben uns. Zu allererst müssen wir uns eingestehen, uns schon jetzt ihren Möglichkeiten unterzuordnen. Nicht die künstliche Intelligenz muss ihr Maschinensein nachweisen, sondern wir unser Menschsein. Das ist keine Bagatelle und weist die Richtung, in die es derzeit geht. Künstliche Intelligenz greift in unser aller Leben ein.
Im Moment stecken noch Menschen dahinter, die Anweisungen geben. Zumindest glauben wir das. Doch was ist die Ursache für manche Anweisungen? Die Existenz künstlicher Intelligenz. Also sind wir gezwungen uns abzugrenzen. Deshalb kommen die Anweisungen zwar von Menschen, werden aber von künstlichen Intelligenzen veranlasst. Wie gesagt, wir glauben, alles im Griff zu haben....
Kein Grund zur Panik - oder doch?
Trotzdem kein Grund zur Panik. Wir sollten nur bewusste Entscheidungen treffen. Wollen wir uns von der Entwicklung überrollen lassen oder nehmen wir uns die Zeit, gut zu überlegen?
Ach ja, es ist die Menschheit, um die es hier geht. Wann hat sie schon jemals eine Entwicklung gut überlegt? Gewiss nicht den Bau der Atombombe und auch nicht den Einsatz chemischer Mittel in der Landwirtschaft, ganz zu schweigen von Genmanipulation, Sklavenwirtschaft, Verdrängung der indigenen Bevölkerung in Amerika, Abholzung der Wälder, Kolonialismus und vieles mehr.
"Frieden bedeutet, dass man einen größeren Stock hat als der andere", sagt Tony Stark in einem Iron Man-Film. Solange dieses Denken die Realität der Menschen widerspiegelt, wird künstliche Intelligenz zu einer Waffe werden, die sich irgendwann gegen uns wendet.
Jetzt ist Panik angebracht!